Stadtkapelle Tirschenreuth
 
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Chronik der Stadtkapelle Tirschenreuth
 
"Pflege der Musik ist Pflege edler Kultur, die persönliche Musikausübung ist Zeichen eines kultivierten Edelsinns"
 
In der heutigen Zeit der übertriebenen elektronischen und zunehmend vom Computer erzeugten künstlichen Musik sollten sich alle mehr dieser Worte erinnern, droht doch eines der wertvollsten Kulturgüter, die seit Jahrhunderten verwurzelte echte, selbst gemachte Volksmusik, immer mehr an Bedeutung zu verlieren.
 
Schon vor 140 Jahren gründeten überzeugte Tirschenreuther Musikfreunde eine Kapelle, um sich der Pflege der Blasmusik zu widmen und vor allem auch die Jugend dafür zu interessieren.
 
Aus der Gründungszeit sind leider keine schriftlichen Hinweise vorhanden, deshalb konnten nur mühselig zusammengetragene Unterlagen aus mündlichen Überlieferungen alter Musiker zusammengefügt werden. Die wertvollsten Hinweise gab Herr Karl Ott, der schon 1899 der damaligen Stadtkapelle beitrat und die Musiklehrerin Agathe Zaska.
 
Die Anfänge...
 
Die Pflege der Volksmusik geht in Tirschenreuth sehr weit zurück. So fand Kreisheimatpfleger Franz Busl ein Schriftstück, aus dem hervorgeht, dass die Stadtkapelle Tirschenreuth schon vor über 200 Jahren aufgetreten ist. Diese Angaben sind jedoch nicht vollständig und werden deshalb auch nicht verwendet. Fest steht aber, dass es vor 140 Jahren schon Männer gab, die von hohem Idealismus beseelt, sich an die Gründung einer Stadtkapelle wagten, die im Auf und Ab der Geschichte, trotz Kriegen und anderer Schicksalsschlägen bis heute besteht und aus dem kulturellen Leben unserer Stadt nicht mehr wegzudenken ist.
 
Blättert man in der Geschichte der Stadt Tirschenreuth, so findet man auf Seite 364, Abs. 2, folgende Sätze:
 
Durch den ersten Weltkrieg verloren beide Kapellen eine Anzahl wichtiger Musiker, sodass jede für sich nicht mehr existieren konnte. Der Zusammenschluss zu einer ordentlichen Stadtkapelle ließ nicht lange auf sich warten. Militärmusiker Otto Münchmeier, gerade vom Krieg heimgekehrt, übernahm 1920 die neu erstandene Kapelle. Er verstand es, sie zu einem leistungsfähigen Klangkörper auszubauen. Der Fortschritt wurde damals allseits bewundert. Die Kapelle spielte in den 20er Jahren eine Vielzahl von Veranstaltungen und Festen in Stadt und Land. Nicht zuletzt zeugten viele Standkonzerte, kirchliche Musik und festliche Bälle mit Streichmusik von der Beliebtheit der Kapelle. Fast bis zu seinem Tod 1935 blieb Münchmeier seiner geliebten Musik treu.
 
Nach dem 1. Weltkrieg...
 
Die Wahl eines neuen Kapellmeisters fiel den Musikfreunden diesmal nicht schwer. Bartholomäus Leiß, der alle musikalischen und pädagogischen Voraussetzungen mitbrachte, übernahm dieses Amt. Der erstklassige Militärmusiker verstand es, sein Wissen und Können in hervorragender Weise der Kapelle zu vermitteln. Durch die Übernahme der Vereinskapelle des Katholischen Männer- und Arbeitervereins und einiger Musiker der Glasmacherkapelle, unter ihnen Hermann Danhof, wuchs die Kapelle zu einer Stärke von über 35 Mann. Der geschaffene Klangkörper war in seiner Besetzung der bisher größte und der besondere Stolz der Stadt. Man spielte oft Konzerte militärischen Charakters mit ausgezeichneten Soloeinlagen, Standkonzerte und viele Auf- und Vorbeimärsche. Nach der Wiedereinberufung von Leiß zum Militär übernahm der damalige 1. Tenorhornist, Gefängnisaufseher Oskar Walter, im Jahr 1937 vorübergehend die Kapelle.
 
Der zweite Weltkrieg brach aus, das Musikleben kam wieder zum Erliegen. Eine große Anzahl von Musikern wurde zu den Fahnen gerufen und viele von Ihnen sahen die Heimat nicht wieder. Auch Stadtkapellmeister Leiß, ein phänomenaler Musiker, der in kluger Steigerung die hohen Ideale der Musik in die Herzen des Volkes verpflanzte, blieb auf dem Felde der Ehre.
 
Ein schwerer Weg...
 
Voller Wehmut bangte ein kleines, übrig gebliebenes Häufchen von Idealisten um den Fortbestand der einst in Glanz und Blüte gestandenen Stadtkapelle. Es fehlte an der geeigneten Führung. Als der damalige Es-Klarinettist, Hermann Danhof, der schon vor seiner Einberufung die Kapelle kurz geleitet hatte, aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte, sah man wieder Licht am Horizont. Das Ende des zwangsläufigen Pausierens war gekommen. Danhof griff trotz angegriffener Gesundheit als Erster wieder zum Instrument, um die Kapelle, so gut es ging, wieder neu entstehen zu lassen. Eine wahrlich schwere Aufgabe, vielleicht die schwerste in der bisherigen Geschichte der Kapelle, einen solch angeschlagenen Klangkörper wieder in Form zu bringen.
 
Niemand konnte erwarten, dass schnell große Erfolge erzielt werden können. Stadtkapellmeister Danhof aber, der beliebte und vielseitige Musiker, der neben seinem Beruf nur die Musik kannte, schaffte es mit Gleichgesinnten und durch die Heranbildung zusätzlicher junger Kräfte, nicht zuletzt aber mit der Eingliederung einer Anzahl heimatvertriebener, erstklassiger Musiker, die Stadtkapelle wieder zu einer ansehnlichen Stärke und Qualität zu führen. Unter seiner Leitung wurde 1953 einheitliche Kleidung in Form der Werdenfelser Tracht angeschafft, die dann 1959 vervollständigt wurde.
 
1958, nach langer schwerer Krankheit, verstarb Danhof. Ein begabter, beneidenswerter und bescheidener Musiker, dessen Geist in seinen selbst geschriebenen Noten weiterlebt, bleibt unvergessen.
 
Wieder ein Militärmusiker, Peter Artmann, übernahm als Stadtkapellmeister die Kapelle. Die Leitung wurde in zwei Ressorts aufgeteilt, und zwar in die rein musikalische und in die der Geschäftsführung. Artmann konnte sich nun den rein musikalischen Aufgaben der Kapelle voll widmen. Er erkannte die Zeit der Modernisierung, des Fortschritts, sowie der Konkurrenzfähigkeit zu anderen Kapellen.
 
Von Erfolgen belohnt...
 
Es entstand ein harmonisches und kameradschaftliches Zusammenarbeiten zum Wohle der Stadtkapelle, bei dem von jedem Musiker aber auch vollster Einsatz und Leistungsbereitschaft gefordert wurde; der Erfolg blieb nicht Lange aus. Innerhalb weniger Jahre schuf Artmann einen Klangkörper, der auch in der Lage war, selbst schwierigste Kompositionen zu meistern. Seine großen Verdienste um die Ausbildung von jungen Musikern zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Kapelle sei hier besonders erwähnt und hervorgehoben.
 
1962 trat man dem Nordbayrischen Musikbund bei und maß sich fortan auf Musikfesten bei Wertungsspielen ständig mit anderen Kapellen. So konnte z.B. 1963 beim Musikfest in Pleystein, wo man erstmals an Wertungsspielen teilnahm, bereits in der Oberstufe ein 1. Rang erzielt werden.
 
600 Jahre Stadt Tirschenreuth und 100 Jahre Stadtkapelle Tirschenreuth...
 
Im Rahmen der Feierlichkeiten "600 Jahre Stadt Tirschenreuth" feierte die Stadtkapelle 1964 ihr 100-jähriges Bestehen. Der Nordbayrische Musikbund vergab das Bezirksmusikfest nach Tirschenreuth. 27 Kapellen und Spielmannszüge nahmen daran teil. Der obere Marktplatz wurde beim beeindruckenden Massenchor zu einem Meer von über 1000 Musikern. 24 Kapellen maßen sich mit hervorragenden Leistungen in den verschiedenen Stufen beim Wertungsspiel. Die beiden Wertungsrichter, Max Seidel und Hans Schmidt, beide Stabsmusiker a. D. und Bundesdirigenten des Nordbayrischen Musikbundes, zollten allen Teilnehmern für ihre Leistungen großes Lob und bewerteten oftmals die Darbietungen mit den höchsten Punktzahlen.
 
Zwei Kapellen stellen sich der Bewertung in der Kunststufe, vier in der Oberstufe, acht in der Mittel-, acht in der Unter- und zwei in der Sonderstufe.
 
Die Stadtkapelle wurde für die Darbietung der "Jubel-Ouvertüre" von Chr. Bach in der Oberstufe mit einem 1. Rang mit Auszeichnung bewertet. Vom Nordbayrischen Musikbund wurde der Kapelle zum Jubiläum die große, goldene Medaille am weiß-blauen Band für ihre Verdienste um die Blasmusik verliehen. Die Stadt Tirschenreuth übernahm großzügig die Kosten für die Anschaffung von einheitlichen Musikeruniformen. Weitere Auftritte bei verschiedenen Musikfesten und Teilnahme an Wertungsspielen brachten durchweg sehr gute Bewertungen und steigerten die Leistungsfähigkeit der Kapelle enorm.
 
Jedoch konzentrierte man sich unter Peter Artmann nicht nur auf die konzertante Blasmusik, sondern versuchte auch mehr und mehr bei Festen und Veranstaltungen als Unterhaltungskapelle engagiert zu werden.
 
So wurde man noch im Jahr 1965 als Festkapelle zum Schützenfest in Vörden/Westfalen unter Vertrag genommen. 20 Jahre hat man dieses Fest ohne Unterbrechung gestaltet. Es haben sich Freundschaften entwickelt und gegenseitige Besuche von Vörden nach Tirschenreuth und umgekehrt gehörten bald zur Tagesordnung. Auch der damalige Bürgermeister der Stadt, Herr Erich Oberndorfer ließ es sich nicht nehmen, mit auf die Reise zu gehen und sich zu überzeugen, wie die Stadtkapelle den Namen der Stadt Tirschenreuth würdig vertreten und weiter bekannt machte. Für unsere bayrischen Bierzelte unvorstellbar, kommen die Gäste zu diesem Fest in festlicher Garderobe, die Damen im Abendkleid, die Herrn im schwarzen Anzug. Es wird bis in den frühen Morgen getanzt, gesungen und geschunkelt. Bis 2.00 Uhr in der Früh und noch länger wurde Tanzmusik bei vollbesetztem Zelt geboten.
 
Weitere große Ereignisse und unvergessliche Erlebnisse folgen...
 
Um dem Auftritt einer bayerischen Blaskapelle auch nach außen hin Ausdruck zu verleihen, schafft man sich Lederkniebundhosen und Westen an. Noch im Jahr 1965 erfolgt die erste Rundfunkaufnahme unter dem Titel "eine Stunde konzertante Blasmusik" im Bayerischen Rundfunk. Das Jahr 1970 brachte wieder einen ungewöhnlichen Auftritt. Als Werbeträger für den Fremdenverkehrsverein Bad Berneck fuhr man nach Oldenburg. Dort trat man in der Weser-Ems-Halle vor 4.500 Zuhörern auf. Ein beeindruckendes und für die Musiker unvergessliches Erlebnis.
 
Das Jahr der Fernsehauftritte, so könnte man 1977 nennen. Bei der bekannten Sendung "die Musik kommt" hat man seinen Auftritt genauso, wie zur Untermalung des bekannten Wirtshausdiskurses "Jetzt red i". Eine weitere Live-Sendung des bayerischen Rundfunks, "ein ostbayerischer Abend" wird von der Stadtkapelle mitgestaltet.
 
In 1980 wird die Kapelle zur musikalischen Gestaltung des Bezirksfeuerwehrtages nach Solms bei Wetzlar verpflichtet. Ein überwältigender Erfolg ist der Lohn für die Anstrengung dieses Festes. Mehrere Vereine aus der Umgebung kommen spontan auf die Kapelle zu und wollen diese für Feste in der Zukunft verpflichten. So erhält man nach kurzen Verhandlungen den Zuschlag für die Zeltgirmes in Waldgirmes, in der Nähe von Wetzlar. 15 Jahre hat man dieses Fest mit großem Erfolg gespielt und wiederum dem Namen der Stadt Tirschenreuth alle Ehre gegeben. Noch heute finden regelmäßig Besuche in Tirschenreuth durch die freundschaftlichen Beziehungen statt.
 
1983 und 1984 gab es jeweils einen Ausflug nach Westberlin. Die Biergartenfeste am Wannsee waren von tausenden Gästen besucht und wiederum hatte man einen überwältigenden Erfolg.
 
Ehre, wem Ehre gebührt...
 
Im Januar 1984 legt Peter Artmann aus gesundheitlichen Gründen sein Amt als Stadtkapellmeister nieder. 25 Jahre leitete Artmann die Kapelle, schrieb Musikgeschichte in Tirschenreuth und verschaffte der Kapelle und der Stadt Tirschenreuth weit über die Grenzen Bayerns hinaus einen hervorragenden Ruf. Die Musiker ernannten Artmann zum Ehrendirigenten, der Nordbayerische Musikbund übergab die Ehrennadel in Gold für 50-jährige Musikertätigkeit und eine Würdigung für 25-jährige Dirigententätigkeit. Die Stadt Tirschenreuth würdigte seine Verdienste mit der Verleihung der Bürgermedaille, er erhielt das Bundesverdienstkreuz am Bande.
 
Peter Artmann stirbt im Februar 1989 an den Folgen einer schweren Krankheit. Für die Musiker, die Bürger der Stadt Tirschenreuth und viele Freunde in Nah und Fern wird der Name Peter Artmann stets unvergessen bleiben.
 
Die Wahl der Nachfolge von Peter Artmann im Jahr 1984 fiel auf den bisherigen 1. Trompeter der Kapelle, Martin Bartsch. Unter dessen Leitung wurde vor allen Dingen mehr Wert auf die modernere Musik, "Big Band Sound", gelegt und in vielen Übungsstunden ein neuer Sound einstudiert. Das Repertoire konnte somit noch einmal erweitert werden und mit der neuen Art von Blasmusik konnten wiederum sehr gute Erfolge in der näheren und weiteren Umgebung gefeiert werden.
 
Auf neuen und internationalen Wegen...
 
Seit dem Jahr 2007 umrahmt die Stadtkapelle Tirschenreuth das jährlich im September stattfindende Oktoberfest in Ventspils, einer Hafenstadt in Lettland. Ein ganzes Wochenende lang begeistert die Stadtkapelle die Besucher des Festes mit böhmischer Blasmusik, mal zünftig, mal modern. Und jedes Jahr kann man sich über mehr Zulauf freuen.
 
Im Jahr 2014 kann die Stadtkapelle Tirschenreuth voller Stolz auf ihr 150-jähriges Bestehen zurückblicken. Dieses Jubiläum wird, wie es sich gehört, mit einem dreitägigen Musikfest ausgiebig gefeiert.
 
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